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Fantôme Verlag

VERLAGSPROGRAMM  
MaasMedia Vol. 07

Louis Pergaud
REINEKES TRAGISCHE ENDE

Eine Tiergeschichte

Seiten: 83
Illustrationen: 10
Format: 13,2 x 21 cm


ISBN: 978-3-929010-63-3
ausverkauft / sold out


"Reinekes tragisches Ende" ist eine Erzählung aus dem Geschichtenband "De Goupil à Margot" (1910) für den der Autor im selben Jahr den "Prix Goncourt" erhielt. Die Geschichte erschien erstmals 1927 im Deutschen Verlagshaus Bong & Co., Berlin und Leipzig und wurde seitdem nicht mehr aufgelegt.
Reineke, der Fuchs, ist vor dem Wilderer Lisée und seinem Hund Miraut in eine Höhle geflüchtet, aus der es kein Entrinnen gibt, weil draußen eine Falle aufgestellt ist, in die er unweigerlich geraten wird, sobald er die Höhle verläßt. Verzweifelt sucht Reineke nach einem Ausweg. Mehrere Tage verbringt er in dem Loch, versucht sich frei zu graben und während seiner Erschöpfungszustände zieht sein bisheriges Leben an ihm vorüber. Schließlich gibt er auf und rennt in die Falle. Seine Feinde binden ihm eine Glocke um und lassen ihn wieder frei. Mit der Glocke um den Hals wird sein Leben zur Tortur ...
Zum Autor:
Louis Pergaud wurde 1882 in der französischen Provinz geboren. 1907 ging er nach Paris. 1910 erschien die Geschichtensammlung "De Goupil à Margot", 1912 der Roman "La Guerre des boutons" (Krieg der Knöpfe, der auch heute noch auf deutsch lieferbar ist) und 1914 das Buch "Le Roman de Miraut". In der Nacht vom siebten zum achten April 1915 verliert sich in der Nähe von Marcheville (Verdun) die Spur Louis Pergauds auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs.
   
Leseprobe:
 
Es war an einem Frühlingsabend im lauen März, ein Abend wie jeder andere. Der Mond schien hell und ein frischer Wind hielt unter der Drohung eines möglichen Frostes die zögernden Knospen in ihren harzigen Kapseln.
Für Reineke jedoch war es kein Abend wie alle anderen.
Schon hatte die Dämmerstunde, die ihre nächtlichen Schatten über das Land breitete, und so die Gipfel noch höher, und die Täler noch tiefer erscheinen ließ, die Tiere des Waldes aus den Behausungen gelockt. Er aber, scheinbar unberührt vom geheimnisvollen Leben, das sich in diesem vertrauten Dunkel zu regen begann und geduckt in eine Spalte am Fels von Moraies, wo er, hart bedrängt vom Hund des Wilderers Lisée, am Morgen hin geflüchtet war, traf keinerlei Anstalt, sich darunter zu mischen, wie er es jeden Abend getan hatte.
Grund war jedoch nicht das Vorgefühl eines fruchtlosen Streifzugs längs der Hecken in der nahen Lichtung, denn Reineke wußte sehr wohl, daß an den Abenden mit hellem Mond und starkem Wind die bangen Hasen, getäuscht vom hellen Licht und verängstigt Rauschen der Bäume, erst sehr spät in der Nacht ihr Lager verlassen. Es war auch nicht das Knacken der windgepeitschten Zweige, das ihn hielt, denn der alte Waldbewohner mit den geübten Lauschern konnte sehr gut den Lärm des Menschen vom Geräusch des Waldes unterscheiden. Auch die Ermüdung konnte dieses lange Träumen, diese seltsame Untätigkeit nicht erklären, da er den ganzen Tag geruht hatte, zuerst wie ein Kadaver hingestreckt, todmatt nach der wilden Hatz, deren Ziel er gewesen war, dann in sich zusammengerollt, die feine schwarze Schnauze an die Hinterläufe geduckt, wie zum Schutz gegen lästige Berührungen.
Jetzt ruhte er auf seinen Vieren, die Augen halb geschlossen, die Lauscher aufgestellt und hielt sich starr in heraldischer Stellung hinter dem Fels, durch dessen Spalt er eingedrungen war. Er ließ sich mit instinktgetragener, geheimnisvoller und unwiderstehlicher Logik in seinem Hirn eine Reihe von Empfindungen und Bildern sich verknüpfen, die genügten, ihn hier festzuhalten, ohne daß eine greifbare Schranke ihn zurückhielt.
Diese Höhle von Moraies war nicht Reinekes gewohnte Behausung: sie war wie der Turm, in dem der Belagerte eine Zuflucht sucht, der letzte Hort im Fall höchster Gefahr.
Noch an diesem Morgen in der Dämmerung, war er in einem Brombeerdickicht eingeschlafen, genau an der Stelle, wo er mit einem Meisterbiß einem Junghasen, der in sein Lager zurückkehrte, das Genick gebrochen, und an dessen Fleisch er sich geweidet hatte.
Hier war er eingenickt, als die Schelle von Miraut, Lisées Hund, ihn schonungslos aus dem Halbschlaf riß, in den ihn die Trägheit gestillten Hungers und die einschläfernde Wärme der Frühlingssonne versenkt hatten.
Unter allen Kötern des Reviers, die, einer wie der andere, ihn schon im Morgengrauen und im Schutz des herbstlichen Nebels gejagt hatten, kannte Reineke keinen erbitterteren Feind als diesen Miraut. Bei dem war alle List vergebens, das hatte Reineke in harten und ihn teuer zu stehen kommenden Proben an eigenem Leib erfahren müssen. Sobald nur Mirauts Gebell oder das Klingeln der Schelle sein Herannahen verriet, gab Reineke Fersengeld mit aller Schnelligkeit seiner nervigen Läufe, und um Lisée irrezuführen, machte er, entgegen jedem Fuchsinstinkt, und sogar seinen eigenen Gewohnheiten, in der Ferne einen riesigen Bogen und schlug Haken wie ein Hase. Dann erst kehrte er zu seinem Bau zurück, sprang so schnell es ging, das Geröll vor seinem Bau hinab, und vergewisserte sich, daß seine Pfoten dem Feind nicht genügend Witterung hinterließen, ihn aufzuspüren.